Analyse zum Achtelfinale im DFB-Pokal
FC Bayern München vs. Bayer 04 Leverkusen
FC Bayern München vs. Bayer 04 Leverkusen
Ausgangssituation
Das letzte Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften am 5. Spieltag der Bundesliga (28.9.2024) endete mit einem 1:1. Auch wenn die Werkself zunächst durch einen Distanzschuss von Robert Andrich im Anschluss an einen Eckball in Führung ging und es lediglich Aleksandar Pavlovic gelang, Bayer-Torwart Lukas Hradecky mit einem Sonntagsschuss aus etwa 20 Metern zu überwinden, waren die Rollen in diesem Duell klar verteilt:
- Während Bayer in erster Linie bemüht war, in einer 5-2-3-Grundordnung das eigene Tor zu verteidigen, dominierten die Bayern mit offensiver Ausrichtung und schnellen Ballgewinnen das Spielgeschehen.
- Unterstrichen wird dieser Eindruck von der nicht einmal halb so langen Ballrückeroberungszeit von zwölf Sekunden bei den Bayern gegenüber 26 Sekunden bei Leverkusen.
Seit dem letzten Duell
Gleich nach dem Leverkusen-Match mussten die Bayern in Frankfurt noch einmal die Punkte teilen, dann folgten in der Liga fünf Siege ohne Gegentor. Zuletzt gab es ein 1:1 bei heimstarken Dortmundern. Die Leverkusener agierten bisher deutlich wechselhafter. Zwar mussten sie seit dem Spiel in München keine Liga-Niederlage hinnehmen, doch das Momentum aus der vergangenen Saison, auf der Kippe stehende Spiele am Ende immer für sich zu entscheiden, ist verloren. Gegen Abstiegskandidaten wie Kiel und Bochum reichte es zum Beispiel nur zu Unentschieden. In der UEFA Champions League schlugen sich die Leverkusener im Vergleich zu den Bayern bisher besser, holten aus fünf Partien einen Punkt mehr. Über die letzten beiden Runden konnten die Münchner durch zwei 1:0-Erfolge allerdings wieder Boden gutmachen. Auch wenn Leverkusen mit einem Kantersieg gegen nicht konkurrenzfähige Salzburger in der Königsklasse glänzte und Bayern sich dank eines eklatanten Torwartfehlers zum Sieg gegen PSG mühte, scheint die aktuelle Entwicklung inklusive Berücksichtigung des Hinspiel-Verlaufs für Vorteile für München zu sprechen.
Personalsituation / Fokus
Einen Sieg der Bayern im DFB-Pokal lässt auch die Gegenüberstellung der Verletztenliste wahrscheinlicher erscheinen. Bayer muss in der Offensive auf wichtige Eckpfeiler verzichten: Allen voran fehlt ihnen natürlich Torjäger Victor Boniface. Aber auch die Verletzungen von Amine Adli und Jonas Hofmann fallen beim aktuellen deutschen Meister stark ins Gewicht. Die Flexibilität von Trainer Xabi Alonso ist stark eingeschränkt.
Auf der Gegenseite müssen sich die Münchner hinsichtlich der Besetzung der Sturmspitze und im zentralen Mittelfeld Gedanken machen. Wobei Coach Vincent Kompany auf letztere Frage durch die stabilen Leistungen des zunächst nicht berücksichtigen Leon Goretzka in Liga und Champions League eine hochklassige Antwort bekommen hat. Und wer ersetzt Top-Goalgetter Kane? Mit Serge Gnabry, Thomas Müller und Mathys Tel gibt es drei Kandidaten. Mein Favorit ist Thomas Müller, weil er mit seinen Fähigkeiten im Besetzen von gefährlichen Räumen v. a. in den Positionsangriffen den größten Impact auf das Offensivspiel der Bayern haben wird. Entweder, um selbst torgefährlich zu werden, oder auch, um Räume für seine Mitspieler zu generieren. Der Ausgleich in Dortmund für den FCB fiel übrigens, als Kane schon lange nicht mehr auf dem Platz stand.
Welche Einzelspieler bei Bayern und Bayer im Fokus stehen, ist klar: Es sind die Nationalmannschaftskollegen Jamal Musiala und Florian Wirtz. Besonders die heiß diskutierten Gerüchte um Wirtz und einen Wechsel zu den Bayern lassen dieses Spiel nicht nur zu einer Standortbestimmung der Clubs im nationalen Ranking werden, sondern machen es auch auf der individuellen Ebene zu einem wichtigen Vergleich. Musiala oder Wirtz – wer kickt seine Farben ins Viertelfinale?
Wie wird Bayern Bayer knacken
Taktisch sind keine außergewöhnlichen Veränderungen im Vergleich zum letzten Duell zur Wiesn-Zeit zu erwarten. Beide Mannschaften agieren in der Regel sehr konsistent aus ihren gewohnten Grundordnungen. Entsprechend bietet das Hinspiel eine gute Referenzgröße, um zum Beispiel eventuelle Schwachstellen in der Defensive von Bayer bzw. Möglichkeiten für die Münchner abzuleiten. Es wäre zu einfach, die Torgefährlichkeit der Bayern lediglich auf die individuellen Qualitäten von Musiala zu reduzieren. Vielmehr ist es ein Aspekt von Musiala abseits des Balles, der sehr spannend ist, auch im Spiel gegen PSG zu beobachten war und für das Match gegen Leverkusen eine hohe Relevanz aufweisen kann: Paris versuchte Musiala weitegehend durch enge Manndeckung aus dem Spiel zu nehmen. Wie sich zeigte, ist das eine Herangehensweise, die selbst bei guter Umsetzung zu weiteren Möglichkeiten der Münchner führt. Das war im Bundesligaspiel gegen Leverkusen zu beobachten, das war gegen PSG vergangene Woche zu beobachten und das wird im Pokal wieder zu beobachten sein: Bei der Vielzahl an Positionsangriffen hatten die Bayern-Gegner vor allem dann ein Problem in der Verteidigung, wenn sich Musiala etwa aus dem rechten Halbraum in die letzte Linie bewegte und damit diesen Halbraum „räumte“. Dadurch entstehen Raum und Optionen für die Außenstürmer wie Michael Olise. Der kann nach innen abkippen und dann entweder in typischer Arjen-Robben-Manier selbst den Torabschluss zu suchen oder, wie häufiger im Ligaspiel gegen Bayer zu sehen war, die Flanke auf ballfern einlaufende Mitspieler schlagen. Beides ist brandgefährlich, und wenn Olise in Form ist, unheimlich schwer zu verteidigen. Durch den Ausfall von Harry Kane werden der „Musiala-Move“ und die daraus folgenden Angriffsvarianten über außen noch wichtiger sein.
Und Bayer?
Leverkusen muss in München wieder diszipliniert verteidigen, diesmal die Bälle länger halten und mit der hängenden Spitze Wirtz in Königsklassenform seine Chancen finden und nutzen. Wirtz‘ Stärken – Spielstärke, Dribbelstärke, Abschlussstärke – können für Bayer die Lösung zur aktuell hierzulande schwerstmöglichen Aufgabe sein und den Weg ins Viertelfinale ebnen.
MARKUS BRUNNSCHNEIDER
Leitung Spiel- und Taktikanalyse, Scouting und Kaderplanung
brunnschneider@international-football-institute.com