Formkurve

Von Herbst 2022 an war Ungarn ungeschlagen gewesen. Diese Serie riss im vorletzten Testspiel für die EM gegen Irland (1:2). In der Qualifikation setzten sich die Ungarn souverän mit fünf Siegen und drei Unentschieden gegen die Konkurrenz in Gruppe G, u. a. Serbien und Montenegro, durch. Bereits während der EURO 2021 spielte Ungarn in einer Gruppe mit Deutschland und erreichte ein 2:2 gegen die DFB-Elf. Trotzdem kam damals das Aus in der Vorrunde nicht überraschend, hießen die weiteren Vorrunden-Gegner doch Frankreich und Portugal. Das erste Gruppenspiel 2024 verloren die Ungarn 1:3 gegen die Schweiz.

Top Spieler
Dominik Szoboszlai

Er ist der absolute Ausnahmespieler im Kader der Ungarn und zudem Kapitän. Szoboszlai spielt in Ungarns 3-4-2-1 einen der beiden Zehner hinter der alleinigen Spitze. Sowohl körperlich als auch technisch bereits mit 23 Jahren auf höchstem Niveau. Er ist zuständig für alle Standards.

Péter Gulácsi

Unangefochtene Nummer eins im Tor. Nach seinem Kreuzbandriss kam er diese Saison zum 20. Spieltag zurück in die Startelf von RB Leipzig. Er agiert sehr abgeklärt und mit ruhiger Ausstrahlung. In der Bundesliga in den letzten Jahren immer einer der besten Keeper. Zeigte gegen die Schweiz in Hälfte eins eine sehr gute Parade im Eins-gegen-eins gegen Ruben Vargas und verhinderte einen früheren 0:2-Rückstand.

Willi Orbán

Nächster Legionär aus der Bundesliga und aus Leipzig. Ein sehr erfahrener Innenverteidiger mit Leader-Fähigkeiten. Orbán kommt vor allem über seine Physis. Er verfügt über ein gutes offensives wie defensives Kopfballspiel.

Worauf muss sich die deutsche Mannschaft einstellen?

Formation

Ungarn spielt in einem 3-4-2-1 und hat somit offensiv die Flügel nur einfach besetzt. Durch diese Formation ergibt sich allerdings auch eine defensive Stabilität dank der drei Innenverteidiger, die eine solide Restverteidigung bilden können. Mit zwei Zehnern, darunter ihrem Schlüsselspieler in der Offensive Szoboszlai, können die Ungarn sehr gut die Zwischenräume vor der Abwehrreihe besetzen. Defensiv wird aus der Dreierkette durch die fallenden Wing-Backs schnell eine Fünferkette. Die Zehner positionieren sich neben dem Stürmer, sodass defensiv ein 5-2-3 entsteht.

Besonderheit

Im Aufbau fällt wiederholt ein Sechser links neben Orbán zurück, um einen Viereraufbau zu ermöglichen. Die äußeren Innenverteidiger werden dann zu Außenverteidigern. Somit zeigt Ungarn häufig auch ein 4-1-4-1.

Auf was müssen die Deutschen achten?

Ungarn agierte im ersten Spiel gegen die Schweiz vor allem in der ersten Hälfte sehr passiv und kam, wenn überhaupt, nur mit langen Verlagerungen in die gegnerische Hälfte. Im Aufbau agierten sie immer wieder flexibel mit einem Dreier- oder Viereraufbau. Teilweise holte sich Szoboszlai die Bälle auch tief in der eigenen Hälfte. In den zweiten 45 Minuten zeigte sich dann ein anderes Team als noch vor der Pause. Vor allem die viel agileren Szoboszlai und Roland Sallai drückten dem Spiel mehr und mehr ihren Stempel auf. Beide überluden die linke Seite und schickten den linken Flügelspieler Milos Kerkez mehr ins Zentrum. Aus diesem sehr linkslastigen Spiel entstand schließlich der Anschlusstreffer zum 1:2. Die Ungarn attackierten in dieser Phase den Strafraum sehr oft mit Flanken von der Grundlinie oder aus dem Halbraum. Zudem sind die Ungarn bei Standards mit ihren kopfballstarken Spielern gefährlich.

Wie kann Deutschland zu Tormöglichkeiten kommen:

Ungarn bietet im Mittelfeldpressing immer wieder große Räume an. Sind beide Sechser am Mann, wird der Zwischenraum zwischen Abwehr und Mittelfeld meist zu groß, auch weil die Innenverteidiger nicht immer konsequent nachschieben. Zudem gibt es Absprachefehler der Sechser: Einer verteidigt hoch, der Zweite hält den Raum. Dadurch ergibt sich eine Unterzahl und viel Raum hinter dem herausstechenden Sechser (siehe Spielminute 36 gegen die Schweiz). Ungarn wirkte im ersten Spiel gegen die Schweiz zudem defensiv nicht immer sattelfest: Ich habe viele individuelle Fehler sowie schlechtes Zweikampfverhalten in oder um den Sechzehner gesehen. Waren es beim 0:1 noch zu große Abstände im Zentrum bzw. bei den Sechsern, gingen dem zweiten und dritten Tor der Schweizer mindestens in der Entstehung mangelndes Zweikampfverhalten oder unklare Klärungsversuche voraus. Ein Schlüssel für Deutschland wird somit sein, einerseits die Räume im Zentrum zwischen den Ketten gut zu besetzen. Hier können Florian Wirtz und Jamal Musiala wieder zum „Dosenöffner“ werden. Andererseits können sich Chancen durch Fehler der Ungarn ergeben, wenn die Deutschen sehr aufmerksam sind.

Prognose

Die erste Hälfte der Ungarn gegen die Schweiz war nicht überzeugend, in der zweiten präsentierten sie sich als deutlich stärkerer Gegner, als es die Schotten über die gesamte Strecke des ersten Spiels zu tun vermochten. Bekommt das Team von Julian Nagelsmann die beiden Zehner Szoboszlai und Sallai in den Griff und besetzt seinerseits die Räume zwischen den Linien gut, ist gegen diese Ungarn ein Sieg wahrscheinlich. Nach der Auftaktniederlage wird Ungarn versuchen, lange die Null zu halten, um zumindest ein Unentschieden mitzunehmen. Ob es ihnen dabei gelingt, ihre individuellen Fehler abzustellen? Ich habe Zweifel.