Wer denkt schon an einen Plan B, wenn Plan A der gelebte Traum ist? Mein Name ist Simone Laudehr, ich habe in 18 Jahren Profifußball fast alles gewonnen und trotzdem früh und intensiv an meinem Plan B für die Zeit danach gefeilt. Das war und ist unglaublich wichtig. In meiner Kolumne schreibe ich deshalb über Chancen nach der Karriere und wie man sie sich erarbeitet. Dabei greife ich auch immer wieder Themen im Frauenfußball oder zu Frauen im Fußball auf.
Fachkräftemangel ist aktuell eines der Kernprobleme unserer Wirtschaft – in vielen Branchen vom Handwerk über das Pflege- und Gesundheitswesen bis zur IT fehlen gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gilt das auch für das Fußball-Business? Und dabei meine ich nicht das Fußball-Business auf dem Rasen, wo eine Neun im DFB-Trikot, die Tore im Guirassy- oder Kane-Tempo produziert, schon nicht schlecht wäre. Ich denke an die Arbeitsbereiche und Jobs rund um den Rasen, in Vereinen und Verbänden, in den Betreuerteams oder in Unternehmen, die auf vielfältige Weise mit dem Fußball zu tun haben. Belastbare Zahlen habe ich dazu leider keine gefunden, aber mich in meinem beruflichen Umfeld umgeschaut und in meinem Netzwerk umgehört. Das Ergebnis: Statt Mangel gibt es starke Konkurrenz. Viele fähige Menschen wollen in den Fußball, jedenfalls viel mehr als freie Stellen existieren.
Also lautet meine Thema Konkurrenzkampf statt Fachkräftemangel. Oder aus der Perspektive für die Menschen, die im Fußball arbeiten wollen: Wie sieht denn eine ideale Kandidatin aus, was muss ein Bewerber denn für einen Lebenslauf haben, um sich gegen viele Mitbewerber durchzusetzen? Meiner Meinung nach ist im Arbeitsumfeld Fußball nicht der Weg „Abi, Studium, Doktortitel, und alles mit Einsnull“ der Beste. Ich behaupte: Im Profifußball, aber auch in Bereichen, die an den Profifußball anknüpfen, wie zum Beispiel Gaming, Sportartikel oder Sponsoring, sorgt es für entscheidende Kompetenz, selbst auf diesem Niveau gekickt zu haben. Du hast dann einfach ein tieferes Verständnis von diesem Feld, diesem Geschäft, seinen Akteuren und seinen Regeln. Dazu zum Beispiel eine gute kaufmännische Ausbildung oder ein Studium und obendrauf noch fundierte Weiterbildungen wie die Masterclass oder Spielanalyse-Zertifikate am IFI, allein um zu wissen, was gerade „state of the art“ ist. Fertig ist eine Top-Kandidatin oder ein Top-Kandidat. Eine Erfolgsgarantie ist mit einem derartigen Lebenslauf freilich nicht verbunden. Prominente Beispiele zeigen, dass trotz idealer Voraussetzungen etwas schiefgehen kann. Nehmen wir Oliver Kahn, den ehemaligen CEO der Bayern. Der hatte alles, wirklich alles mitgebracht. Ich fand seine Entscheidung, Nachfolger von Karl-Heinz Rummenigge beim erfolgreichsten Verein des Landes zu werden, auf alle Fälle nachvollziehbar und absolut mutig.
Ich denke jedoch so: Das Fußballgeschäft ist mittlerweile so professionell, und zugleich kompliziert, emotional und öffentlich, dass es für die meisten besser ist, sich nicht gleich auf der Kapitänsbrücke voll in den Wind zu stellen. Ich glaube, es ist gut, erst einmal auf einer Ebene einzusteigen, die dir erlaubt zu lernen, also Fehler zu machen. Wenn du das zwei, drei oder fünf Jahre erlebt hast, kommt der nächste Schritt, dann passt das Match für die nächste Stufe.
Ein passendes Match zu finden, ist eine sehr komplexe Aufgabe. Das kann ich anhand des Bereiches erläutern, in dem ich arbeite. Wenn ich jemanden für mein Team bei EA Sports für EA SPORTS FC™ 24 und die Frauenligen suchen würde, würde ich natürlich die fachlichen Qualitäten unter die Lupe nehmen. Das ist bei uns in erster Linie Datenanalyse. Hier kann sich jemand aber auch entwickeln, wenn er nicht gleich zu 100 Prozent passt. Dafür gibt es Top-Weiterbildungen, zum Beispiel am IFI. 70, 80 Prozent und einen Bezug zu Zahlen hätte ich aber schon gerne. Zweite wichtige Frage ist: Welche Rolle spielt der Fußball im Leben dieses Menschen? Dafür existieren keine Kurse. Bei einem Ex-Profi ist das klar, da spielt der Fußball auf alle Fälle die Hauptrolle. Ohne ein Herz für Fußball kommst du gar nicht so weit. Zudem weiß ich bei einem ehemaligen Profisportler: Der ist diszipliniert, ehrgeizig, der will den Erfolg und lässt sich von Rückschlägen nicht entmutigen, sondern sie motivieren ihn, hart zu arbeiten, um es beim nächsten Mal besser zu machen. Das sind sehr gute Eigenschaften, die kombiniert mit einem aktiv gestalteten Netzwerk und einer ordentlichen Aus- und Weiterbildung eine begehrte Fachkraft ergeben, die sich gegen starke Konkurrenz durchsetzen kann.
Beim Thema Netzwerk können und dürfen übrigens die Berater gerne helfen. Es wäre top, wenn sie ihren Klienten und Klientinnen auf diese Weise für die Zeit nach der Karriere zu Seite stünden und sie darauf vorbereiten würden. Auch indem sie, etwa in Zusammenarbeit mit Experten vom IFI oder der VDV, rechtzeitig einen Plan für die Karriere nach der Karriere gestalten. Zu dieser Vorbereitung gehört außerdem leider noch eine unangenehme Wahrheit: Insbesondere Lizenzspieler mit hohen Gehältern sollten darauf vorbereitet sein, dass sie beim Wechsel auf einen Schreibtischjob wahrscheinlich deutliche Gehaltseinbußen hinnehmen müssen.
Ein Schlüssel für die Karriere nach der Karriere ist also Erwartungsmanagement. Das betrifft zunächst die eigene Erwartungshaltung: Ein Profi gewesen zu sein und die positiven Eigenschaften eines Leistungssportlers sind Basics für Jobs im und rund um den Fußball. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Denn so ausgestattet treten die Bewerber erst einmal in einen starken Konkurrenzkampf um die begehrten Jobs ein. Und den bestehst du, wenn du dir im Idealfall schon während der aktiven Karriere ein konkretes Ziel gesetzt hast und auf dieses mit einer guten Ausbildung, cleverer Weiterbildung, realistischen Ansprüchen, ersten praktischen Erfahrungen und einem gepflegten Netzwerk hinarbeitest. Wer weiß, dass dies von ihm erwartet wird und diesen Erwartungen entsprechend handelt, der steigert seine Chancen. Wer das nicht macht, der muss dann wohl warten, bis es im Fußball einen Fachkräftemangel gibt – und das kann dauern … Oder, wie seht Ihr das? Ich freue mich über alle Kommentare, Anregungen, Fragen oder Likes zu dieser Kolumne und über Themenvorschläge für die nächsten Ausgaben, gerne über LinkedIn und Instagram.
Bis zum nächsten Mal.
Herzliche Grüße, Simone Laudehr